Captain POWER begibt sich zu nahe an ein Schwarzes Loch. Da seine bisherigen Mittel und Möglichkeiten versagen, muss er die Führung über sein Schiff abgeben. Zusammen mit der Surferin NAVI versucht er, dem drohenden Tod zu entkommen.
Von Marco S. Maffei
In medias res
Zu stark ist der Sog des Schwarzen Lochs. Alles beginnt sich immer schneller zu drehen, bis es im zentralen Nichts spiralförmig verschwindet. Mal ist oben unten, mal unten oben, innen mal aussen, aussen mal innen – unmöglich, sich in diesem tobenden Sturm zu orientieren. «Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen!», schreit Captain POWER in Richtung NAVI. «Das habe ich noch nie erlebt», fährt er fort, «mein Schiff ist ausser Kontrolle! NAVI, ich habe dich gebeten, mich zu begleiten, weil ich hoffte, dass wir es gemeinsam schaffen würden. Hätte ich doch auf die Warnungen der anderen gehört und mich nicht so nahe ans Schwarze Loch gewagt. NAVI, es tut mir so leid! Niemand kann das Schwarze Loch passieren.» Verzweifelt sucht Captain POWER NAVIs Blick, während er sich auf Deck mit letzter Kraft ans Steuerrad klammert.
«Dann sei es einfach, ein Niemand», ruft ihm NAVI aus ihrer Kajüte zu. «Was soll ich, ein Niemand sein?! Wie geht das denn?», will POWER irritiert wissen. «Sei ganz still und erkenne selbst», antwortet NAVI, «lass aber erst mal das Ruder los und komm zu mir.» POWER kann nicht. Starr vor Angst zu versagen verharrt er unschlüssig in seiner Position. Zweifel nagen an seinem Gewissen: Aufgeben – würde dies sein berufliches und familiäres Umfeld jemals verstehen? Hat er doch gelernt und derweil auch gelehrt, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen.
«Und was meint dein Herz?» hakt NAVI nach. «Ich höre es nicht, es ist viel zu laut hier», gesteht POWER, als ihn eine Welle wegfegt und zu NAVI schleudert. «Geht doch!», schmunzelt NAVI und schliesst die Kajütentüre hinter sich. Just in diesem Augenblick scheint die Zeit stillzustehen. POWER liegt am Boden, sein Löwenherz hämmert, sein Kopf blutet. «Sei ganz still und erkenne selbst», erinnert er sich noch, bevor er in einen komaartigen Zustand fällt.
Perscipiens
Ein Bildergewitter entlädt sich vor seinem inneren Auge. Erst sieht er sich selbst, verletzt und handlungsunfähig in seinem Schiff, hilflos den Kräften des Schwarzen Lochs ausgeliefert. Im nächsten Moment befindet er sich im Bauch seiner ertrinkenden Mutter – das gleiche beklemmende Gefühl von Ohnmacht. Dann erkennt er sich als einflussreicher Geschäftsmann wieder, der seine Belegschaft und die Ressourcen des Meeres aus Profitgier masslos ausbeutet.
Während POWER dies beobachtet, hört er in der Ferne NAVI fragen, wer er denn nun sei, der dies alles wahrnehmen könne. Kurz darauf wechselt seine Perspektive erneut. Jetzt sieht er sein inneres Auge, wie es sich in ein Schwarzes Loch verwandelt und all seine Erlebnisse einzusaugen beginnt. Sichtlich bewegt, rollen Tränen der Rührung über seine Wangen und tropfen in die Wasserlache auf dem Schiffsboden, wo sie sich unmittelbar wieder darin auflösen – wie in einem Schwarzen Loch. Als POWER dank der Simultanität die Mustergleichheit dieser Geschehnisse bemerkt, wacht er auf.
Quinta essentia
«Weisst du, was das bedeutet?», wendet er sich an NAVI, «Wenn Ereignissen auf unterschiedlichen Ebenen – im Grossen wie im Kleinen, oben wie unten und innen wie aussen – dasselbe Muster zugrunde liegt, dann sind nicht die einzelnen Begebenheiten relevant. Vielmehr sind es die Botschaften, welche wir in ihren Mustern erkennen können.» «Willst du damit sagen», vergewissert sich NAVI, «dass jede Situation uns etwas spiegelt, also nicht der Spiegel selbst entscheidend ist, sondern das, was wir in ihm sehen?» «Genau», bestätigt POWER und ergänzt, «das, was wir sehen, ist jeweils nur ein Aspekt eines grösseren Bildes, das wiederum eine Botschaft für uns hat.» «Was ist demnach die Quintessenz», will sie neugierig wissen, «die unserer Schwarzen-Loch-Geschichte innewohnt?» POWER lächelt: «Sei ganz still und erkenne selbst.»
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