Unternehmens-Bedarf und Mitarbeiter-Bedürfnis

Unternehmensbedarf und Mitarbeiterbedürfnis – Interview über Unternehmenskultur mit Marcel Hechtberger, HR Leiter Bereiche, Kantonsspital St. Gallen (KSSG)


Interviewer: Marco S. Maffei

Herr Hechtberger, herzlichen Dank für die Interview-Möglichkeit.1 Mich interessiert Ihre Erfahrung als HR Leiter zum Thema Unternehmenskultur. Unter Unternehmenskultur verstehe ich die Art und Weise, wie sich die Menschen in einem Unternehmen verhalten.

Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Unternehmenskultur im Kontext der Unternehmensführung?
Marcel Hechtberger: Die Führungspersonen prägen die Kultur einer Unternehmung. Mit ihrem Führungsstil wirken sie auf ihre Unterstellten, die sich ihrerseits entweder anpassen, Widerstand leisten oder die Unternehmung verlassen. Die Kultur ergibt sich aus dem Ganzen, das heisst, aus dem Verhalten jeder einzelnen Person, aus dem kommunikativen Umgang zwischen diesen Personen und aus den vorherrschenden Rahmenbedingungen. In diesem Sinne lässt sich die Kultur nur sehr bedingt direkt beeinflussen.

Welche Zusammenhänge sehen Sie zwischen Unternehmenskultur, Performance und Fluktuationskosten?
Marcel Hechtberger: Hier besteht ein direkter Zusammenhang. Wenn die Kultur den Mitarbeitenden passt und sie sich anpassen, ist die Fluktuation geringer als im Fall von Widerstand oder Kündigungen. Die Kosten ergeben sich dann nicht nur aus der Neuanstellung, sondern auch aus dem Leistungsverlust aufgrund von Frustration, Krankheiten oder Unfällen. Und hier sehen wir den Zusammenhang mit der Performance.

Welche unternehmenskulturellen Massnahmen haben Sie bereits getroffen?
Marcel Hechtberger: Gegenwärtig befinden wir uns in einem grossen Umbau. Das Kantonsspital St. Gallen ist historisch Haus um Haus, Fachbereich um Fachbereich gewachsen, umfasst also viele einzelne Unternehmen im Unternehmen. „Come together“ heisst das neue Projekt, dem ein interdisziplinärer Ansatz zugrunde liegt. Einzelne Häuser sollen zusammenschmelzen, die Fachbereiche zusammenarbeiten und so eine ganzheitliche Behandlung der oft äusserst komplexen Probleme der Patienten ermöglichen. Mit „Come together“ verbunden ist eine Change-Strategie, die sowohl den baulichen als auch den mentalen Wandel betrifft. Unsere Aufgabe im HR ist es, die Kultur in dieser Phase der Veränderung positiv zu beeinflussen, sei es durch verschiedene Massnahmen im Bereich der Personalrekrutierung oder Mitarbeiterbindung.

Welche aktuellen Herausforderungen hinsichtlich Unternehmenskultur gibt es Ihrer Ansicht nach?
Marcel Hechtberger: Das Matching von Unternehmensbedarf, wie „Wandel“, und Mitarbeiterbedürfnis, wie „Gewissheit“, ist nicht einfach. Es geht vor allem darum, die passenden Führungs- und Fachkräfte zu behalten beziehungsweise zu rekrutieren sowie allzu Festgefahrene am Abspringen nicht zu hindern. Neue IT Mittel und betriebswirtschaftliche Aspekte erschweren die Aufgaben der Mitarbeitenden zusätzlich. Die Gefahr einer Überregulierung ist vorhanden und konkurriert die cash-wirksamen Leistungen. In diesem Spannungsfeld ein gutes Arbeitsklima zu haben ist eine grosse Herausforderung.

Welche unternehmenskulturellen Trends bestehen Ihrer Meinung nach?
Marcel Hechtberger: Wir befinden uns im Wandel von einer Verwaltungskultur zu einer Leistungskultur. Entsprechend nimmt der Leistungsdruck zu, was wiederum mehr Ausfälle mit sich bringt. Ein mitarbeitergerechtes Gesundheits- und Case-Management sowie ein hausinterner Sozialdienst sollen dies abfedern.

Abschlussfrage: Was verstehen Sie unter Unternehmenskultur?
Marcel Hechtberger: Es ist das Verhalten der Menschen untereinander, das gesteuert wird von den Rahmenbedingungen in der Gesellschaft, im Markt und natürlich im Unternehmen wie Lohn, Versicherungsschutz, Führungsstil des Vorgesetzten etc. Die Kultur können wir nicht vorgeben. Sie ist ein Produkt aus ganz unterschiedlichen Faktoren, eher ein Gefühl, das mir sagt, ob ich im richtigen Unternehmen bin oder nicht. Eine faire und offene Kommunikation ist dabei zentral.


Die von powernavi geführte Interview-Reihe fand in der zweiten Hälfte 2016 statt. Hier folgt ein Auszug der ungefähr 20 Interviews mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen aus den Branchen Baugewerbe, Maschinen- und Anlagebau, Detailhandel, Finanzdienstleistungen, Personaldienstleistungen, IT/Internet, Energie, Gesundheit und soziale Dienste, öffentlicher Dienst.


Über Kantonsspital St. Gallen (KSSG):

Ein Unternehmen – drei Spitäler: Das Kantonsspital St.Gallen ist das Zentrumsspital der Ostschweiz. Die Häuser in Rorschach und Flawil sind auf allen Ebenen – medizinisch, logistisch und personell – voll integrierte Bestandteile des Unternehmens Kantonsspital St.Gallen. Sie sichern für die Bevölkerung in den entsprechenden Regionen die medizinische Grundversorgung. Das Kantonsspital St.Gallen beschäftigt über 5’500 Mitarbeitende und bietet mehr als 700 Ausbildungsplätze an.