Konsistent und konsequent

Konsistent und konsequent – Interview über Unternehmenskultur mit Philipp Oberson, Head HR Shared Services Center, Alpiq


Interviewer: Marco S. Maffei

Herr Oberson, herzlichen Dank für die Interview-Möglichkeit.1 Mich interessiert Ihre Erfahrung in früheren Funktionen als Head HR zum Thema Unternehmenskultur. Unter Unternehmenskultur verstehe ich die Art und Weise, wie sich die Menschen in einem Unternehmen verhalten.

Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Unternehmenskultur im Kontext der Unternehmensführung?
Philipp Oberson: Es gibt Firmen, die die Bedeutung unterschätzen, und solche, die genau wissen, dass die Unternehmenskultur für die Strategieumsetzung entscheidend ist. Zentral erscheint mir die Konsistenz mit der Zielerreichung. Führt die Kultur an den Zielen vorbei, entstehen kostenintensive Konflikte. Eine Aufgabe der Firmenleitung ist es daher, sich gut zu überlegen, welche Kultur für die Strategie die richtige ist, also eine, die Rückenwind – nicht Gegenwind – erzeugt.

Welche Zusammenhänge sehen Sie zwischen Unternehmenskultur, Performance und Fluktuationskosten?
Philipp Oberson: Je konsistenter eine Kultur mit der Strategie ist, desto besser ist die Performance. Die Herausforderung besteht in der Messbarkeit, weil die Kultur ein nur begrenzt messbarer Begriff ist und die Realität meist alles andere als monokausal ist. Ich bin jedoch überzeugt von diesem Zusammenhang: Passt die Unternehmenskultur zu mir, fällt es mir leichter zu performen. Einfacher ist es, den Zusammenhang mit den Fluktuationskosten aufzuzeigen, sei es anhand von Austrittsgesprächen oder Umfragen über die Mitarbeiterzufriedenheit. Sehr hohe Fluktuationskosten entstehen, wenn Mitarbeiter – insbesondere Führungskräfte – die Kultur nicht mittragen und grosse Kollateralschäden wie Frustration oder Kündigungen seitens sehr guter Mitarbeiter verursachen. Solche Widerstände kosten viel Energie – Energie, die nicht für das Umsetzen der Strategie zur Verfügung steht.

Welche unternehmenskulturellen Massnahmen haben Sie bereits getroffen?
Philipp Oberson: Viel wichtiger als die Massnahmen selbst ist meines Erachtens die Konsequenz, mit der eine Massnahme umgesetzt wird. Egal welche Massnahme, wenn du sie nicht konsequent umsetzt, erzielst du keinen Effekt. Was die Massnahmen betrifft, so steht ganz oben eine klare und konsistente Kommunikation in hoher Kadenz. Es braucht immer wieder die gleiche Botschaft, auf den verschiedensten Kanälen. Einen Kulturwandel innerhalb eines Jahres herbeizuführen wäre eine Illusion. Eine spürbare Wirkung stellt sich in der Regel nach zweieinhalb bis drei Jahren ein. Überzeugungsarbeit und Stehvermögen sind gefragt! Des Weiteren sind Übersetzer zwischen dem Top-Management und den Leuten in den einfacheren Funktionen sehr hilfreich – in beide Richtungen.

Welche aktuellen Herausforderungen hinsichtlich Unternehmenskultur gibt es Ihrer Ansicht nach?
Philipp Oberson: Nur ganz wenige Firmen arbeiten proaktiv an der Unternehmenskultur. Die meisten beginnen erst, wenn es bereits irgendwo brennt. In solchen Fällen haben Liquidität oder Profitabilität jedoch Vorrang. Die Herausforderung besteht also darin, eine Kultur zu schaffen, in der antizipiert wird, welche Kultur künftig gefragt sein wird und welche Konsequenzen damit verbunden sind. Hier braucht es eine gesunde Fluktuation, denn von gewissen Leuten muss man sich trennen und Platz schaffen für neuen, frischen Wind.

Welche unternehmenskulturellen Trends bestehen Ihrer Meinung nach?
Philipp Oberson: Persönlich halte ich je länger, je weniger von Trends. Wenn ich HR Zeitschriften lese oder mit HR Kollegen rede, dann fällt mir auf, wie immer wieder mal die neuste Sau durchs Dorf getrieben wird. Das ist verständlich, denn Trends eröffnen Geschäftsfelder. Zwei Fragen interessieren hier: Erstens, wer möchte vom Trend profitieren, und zweitens, wen betrifft der Trend wirklich? Nur wenn ich diese Fragen für das Unternehmen beantworte, kann ich entscheiden, ob der Trend in den kommenden 3-5 Jahren für mich ausreichend relevant ist, um ihn in die Kulturentwicklung einzubauen.

Abschlussfrage: Was verstehen Sie unter Unternehmenskultur?
Philipp Oberson: Es ist die Art und Weise, wie die Leute miteinander umgehen. Die Unternehmenskultur beinhaltet aber auch weitere Themen wie die Frage, ob die formelle Führungsstruktur der informellen entspricht, oder wer wie viel zu sagen hat in einer Organisation. Wie viel Einfluss hat zum Beispiel die Linie, die Finanz- oder die HR-Abteilung bei der Auswahl eines neuen Chefs? Denn jeder Personalentscheid hat Konsequenzen und wird die Unternehmenskultur mehr oder weniger stark prägen.


Die von powernavi geführte Interview-Reihe fand in der zweiten Hälfte 2016 statt. Hier folgt ein Auszug der ungefähr 20 Interviews mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen aus den Branchen Baugewerbe, Maschinen- und Anlagebau, Detailhandel, Finanzdienstleistungen, Personaldienstleistungen, IT/Internet, Energie, Gesundheit und soziale Dienste, öffentlicher Dienst.


Über Alpiq:

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